Wie jeden Morgen fühlt sich Tina wie gerädert. Sie hat gefühlt die ganze Nacht wach gelegen und ihre Gedanken haben keine Ruhe gegeben.
Nicht zahlende Kunden, stornierte Aufträge, Stress mit ihrem Mann und dann noch ihr Sohn, für den sie viel zu wenig Zeit hat. Sie fühlt sich hoffnungslos überfordert. Sie hat tolle Ideen, ist ehrgeizig und arbeitet viel, um ihre Ziele zu erreichen.
Und dennoch – sie scheint ein geborener Pechvogel zu sein. Immer wieder zieht sie tolle Aufträge an Land, schafft es immer wieder, Menschen von sich und ihrer Arbeit zu überzeugen. Und dann passiert irgendetwas.
Kunden machen einen Rückzug, ihre Lieferanten können nicht liefern oder irgendetwas anderes kommt dazwischen. Manchmal möchte sie am liebsten alles hinschmeißen, doch dafür ist sie zu ehrgeizig.
Außerdem: trotz der ganzen Rückschläge läuft ihr Geschäft nach wie vor einigermaßen gut. Doch die Sorgen, Probleme und Rückschläge nagen massiv an ihrem Selbstwertgefühl. Warum passieren ihr immer die komischen Dinge? Warum ausgerechnet sie?
Sie fühlt sich als Opfer der Umstände. Sie empfindet das Leben als so ungerecht. Traurig und manchmal auch ein bisschen neidisch schaut sie auf Carola – ihre beste Freundin.
Carola scheint das Glück gepachtet zu haben! Egal, was sie anfasst, es scheint zu gelingen. Zugegeben, manchmal passieren auch Carola komische Dinge. Doch irgendwie verarbeitet sie all die Rückschläge mit Leichtigkeit und sieht sofort neue Chancen.
Sie strahlt ständig eine große Freude aus. Schlaflosigkeit kennt Carola nicht. Und wenn sie tatsächlich mal nicht schlafen kann, dann schmiedet sie neue Ideen und schaut stets zuversichtlich in die Welt.
Selbst, als Carolas umsatzstärkster Kunde ausfällt, hörte Tina sie nur sagen: „Wer weiß, wofür das gut ist! Für irgendwas wird es schon genau richtig sein!“.
Woher nimmt Carola all diese Freude, den Optimismus und ihre Leichtigkeit?Tina kann es kaum noch ertragen…
Zwei Frauen, zwei unterschiedliche Gefühlswelten! Was unterscheidet die eine von der anderen?
Dieses lässt sich am besten mit den Begriffen Selbstwirksamkeit und Selbstwirksamkeitserwartung erklären. Beide Begriffe wurden vor rund 40 Jahren von dem Psychologen Albert Bandura entwickelt.
Definition Selbstwirksamkeit:
Unter dem Begriff Selbstwirksamkeit versteht man die Überzeugung einer Person, auch schwierige Situationen und Herausforderungen – unabhängig von den äußeren Rahmenbedingungen – meistern zu können.
Selbstwirksame Menschen leben in der festen Überzeugung, dass sie für ihr Leben voll und ganz selbst verantwortlich sind und jederzeit gewünschte Veränderungen bewirken können.
Hier schließt auch der Begriff der Selbstwirksamkeitserwartung an:
Dieser beschreibt die Erwartung einer Person, dass sie aufgrund ihrer Fähigkeiten, ihres Könnens, ihres Wissens und ihrer Energie ihr Leben jederzeit im Griff hat und jederzeit alles bewältigen kann.
Ein Mensch mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung nimmt gezielt Einfluss, anstatt den äußeren Umständen, anderen Personen, dem Glück oder dem Zufall die Schuld an etwas zu geben.
Die Fähigkeit einer hohen Selbstwirksamkeit bzw. einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung wird häufig schon im Kindesalter angelegt. Eltern können hierauf einen großen Einfluss nehmen, indem sie ihrem Kind etwas zutrauen.
Doch leider passiert häufig das Gegenteil. Aus gut gemeinter Elternliebe und aus Sorge um die Gesundheit des Kindes wird dem Kind vieles abgenommen.
So werden beispielsweise viele Kinder zur Schule gefahren, weil der Straßenverkehr so gefährlich ist. Im Winter wird in extremer Art und Weise darauf aufgepasst, dass das Kind warm genug angezogen ist und wenn es in der Küche etwas zu schneiden gibt, dann wird es dem Kind abgenommen, damit es sich mit dem scharfen Messer nicht verletzt.
Doch leider lernen durch diese und andere Verhaltensweisen die Kinder zu wenig Selbstverantwortung.
Manchmal ist es ein schmaler Grat – Kindeswohl contra Selbstverantwortung des Kindes fördern. Hier sind Eltern wirklich gefordert.
Selbstwirksamkeit fördern – eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe.
Zurück zu den Erwachsenen. Wie kannst Du Deine Selbstwirksamkeit stärken?
Selbstwirksamkeit besteht aus verschiedenen Zutaten.
1. Resilienz:
Selbstwirksame Menschen haben einen hohen Grad an Resilienz. Resilienz bezeichnet die Fähigkeit, schwierige Situationen, Krisen und Lebensdramen psychisch gesund zu überstehen und immer wieder aufzustehen. Ohne Resilienz kann Selbstwirksamkeit gar nicht erst entstehen.
Wie kann Resilienz entstehen? Unter anderem durch das Verändern Deiner Gedanken.
Schau einmal zurück in Deine Vergangenheit – vor allem auf die schwierigen Situationen. Wie denkst Du heute darüber? Was hast Du daraus gelernt? Hat es am Ende vielleicht sogar etwas Gutes gebracht und Dich positiv verändert? Welche wertvollen Erfahrungen konntest Du mitnehmen?
Mein Leit- und Lebensmotto ist:
Egal, was Dir passiert, egal, ob Du es als gut oder schlecht empfindest, eines weißt Du heute schon: das, was Dir heute passiert, macht Dich zu dem wundervollen Menschen von morgen.
Meine Empfehlung: Vertraue! Auch, wenn Dir das was passiert, nicht gefällt und es vielleicht sogar sehr weh tut, es wird für irgendetwas gut sein. Ganz bestimmt!
In dieser Grundhaltung lebt auch Carola. Natürlich passiert auch in ihrem Leben das eine oder andere, was ihr nicht gefällt. Doch statt lange darüber zu sprechen oder die Gedanken im Kreis fahren zu lassen, legt sie ihren Fokus auf die Dinge, die in ihrem Leben gut laufen und sagt sich, dass das, was ihr passiert ist für irgendwas gut sein wird.
2. Wie hättest Du es gerne?
Gehörst Du zu den Menschen, die sich ständig darüber beschweren, was alles nicht funktioniert? Oder nimmst Du Dein Leben aktiv in die Hand?
Wenn Du gerade mal wieder mit Dir oder den Umständen haderst, dann stelle Dir folgende Frage: „Wie hätte ich es gerne?“
So viele Menschen können genau definieren, was sie nicht wollen. Doch bei der Frage: „Wie hättest Du es gerne?“, folgt erst einmal das große Schweigen. Schreib Dir Deine Ziele, Wünsche und Visionen auf! Schreib auf, wie Du Dein Leben gerne leben würdest!
Carolas Grundhaltung ist: Ich kann jeden Tag in meinem Leben etwas Neues wählen. Tina dagegen fühlt sich gefangen in ihrer Welt und ihren Dramen.
3. Bewusstheit über Deine Gedanken und Dein Wirken
Bist Du Opfer Deiner Gedanken? Fahren sie manchmal im Kreis? Wollen die sorgenvollen Gedanken und Ängste einfach nicht aufhören? Und welche inneren Stimmen gibt es sonst noch? Sind da vielleicht noch der innere Kritiker und der innere Nörgler, die Dir das Leben schwer machen?
Halte Dir in solchen Momenten bewusst ein Stoppschild vor Dein inneres Auge. Oder noch besser: bastle Dir bitte ein Stoppschild zum Anfassen und halte es hoch, wenn Deine Gedanken zu sehr kreisen oder allzu negativ sind.
Anschließend schreibst Du Dir auf:
- Ist es wirklich wahr, was Du gerade über Dich und/ oder die Umstände denkst?
- Welche anderen Perspektiven gibt es noch?
- Was würde eine außenstehende Person dazu sagen?
- Wozu ist es gut?
Stelle Dir bitte auch folgende Frage und lasse sie einfach nur wirken. Versuche nicht, diese Frage mit dem Verstand zu beantworten (denn wenn Dein Verstand die Lösung schon kennen würde, dann wüsstest Du sie ja bereits):
Was ist das Gute daran, was ich aktuell noch nicht sehen kann?
Im Gegensatz zu Tina hat Carola gelernt, sich diese Fragen regelmäßig zu stellen und andere Perspektiven einzunehmen.
4. Raus aus dem Autopilot-Modus
Wie sehr bist Du fremdbestimmt? Wie sehr lässt Du Dich durch äußere Rahmenbedingungen und die Erwartungen anderer einschränken? Wie glücklich bist Du damit?
Wie wäre es, wenn Du genau heute die erste Entscheidung in Richtung Selbstbestimmtheit triffst? Welche Veränderung wirst Du heute aktiv in die Wege leiten?
Carola lebt aktiv ihr Leben, während Tina eher „gelebt wird“.
Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung und einer hohen Selbstwirksamkeit leben glücklicher, unbeschwerter und meistens auch erfolgreicher, als diejenigen, die äußere Rahmenbedingungen für ihr Leben verantwortlich machen.
Auf Glück oder Zufall zu hoffen ist das eine!
Sein Glück aktiv in die Hand zu nehmen, Chancen zu sehen und diese zu nutzen ist der sehr viel sinnvollere Weg – hin zu einem Leben voller Zufriedenheit und Leichtigkeit, unabhängig von den Rahmenbedingungen.
Wann machst Du Dich auf Deine Reise hin zu Deiner eigenen Selbstwirksamkeit?
Über die Autorin
Daniela Landgraf, geboren 1972, ist Coach, Trainerin, Autorin und Vortragsrednerin. Spezialisiert hat sie sich vor allem auf die Themen Selbstwert und mentale Stärke infolge Ihrer eigenen Lebensgeschichte.
Sie ist aufgrund Ihres Tourette-Syndroms selbst durch die „Selbstwerthölle“ gegangen und weiß aus eigener Erfahrung, wie sehr Selbstzweifel und Minderwertigkeitskomplexe dem Lebensglück entgegenstehen können.
Im Ursprung kommt sie aus der Finanzbranche und war dieser fast 25 Jahre lang treu – als Beraterin, Vertriebsleiterin, Dozentin, Trainerin, Coach und als IHK-Prüferin.
Sie kann auf zahlreiche Qualifikationen blicken, z.B. Finanzfachwirtin (IHK), Betriebswirtin, Personal Coach (IHK), Train the Trainer (IHK), Heilpraktikerin für Psychotherapie, Professional Speaker GSA (SHB) und viele andere.
Seit einigen Jahren coacht sie auch Führungskräfte und Mitarbeiter aus diversen anderen Branchen und steht mit ihren Impulsvorträgen regelmäßig auf der Bühne.
Sie ist Autorin mehrerer Bücher, unter anderem von:
- „Mentale Stärke gewinnen“
- „Krisen meistern“
- „Starker Selbstwert – starkes Unternehmen“
- „Raus aus der Krise – Rein ins Leben“
- „Selbstwert ist Geld wert. Doch was bist Du Dir wert?“
Weitere spannende Beiträge:
- Selbstdisziplin lernen
- Minimalismus als Weg in ein befreites Leben
- Selbstliebe lernen: 5 Wege, dich selbst zu lieben
- Das Geheimnis für ein glückliches Leben