Haben Journale etwas mit Tagebüchern zu tun? Was schreibt man in ein Journal? Wie kann man mit dem Journaling beginnen? Welchen Nutzen bringt dir tägliches Schreiben für dein Mindset?
Gastbeitrag von Claudia Sprinz
Seit einiger Zeit liegt handschriftliches Schreiben wieder im Trend. Auf Social Media wie Pinterest oder Instagram werden Fotos von wunderschön gestalteten handschriftlichen Aufzeichnungen geteilt. Der Handel präsentiert auf kunstvoll drapierten Tischen leere Notizbücher in unterschiedlichen Größen und Ausführungen, Journale zum Ausfüllen sowie farblich passende Stifte, Sticker und weiteres Zubehör.
Zahlreichen Ratgeber mit Anleitungen und Empfehlungen verschiedener Experten und Autorinnen laden zum Ausprobieren ein. In diesem Beitrag werden die wesentlichen Fragen beantwortet:
Warum ist ein handschriftliches Journal sinnvoll? Wie kannst du mit einem Journal beginnen?
Kann Journaling auch für dein Mindset hilfreich sein?
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Was du per Hand schreibst, merkst du dir besser
Vielleicht denkst du dir, wozu du heute noch handschriftlich Schreiben sollst, wo es doch Laptop, Tablet und Smartphone gibt? Aktuelle Studien aus der Gehirnforschung zeigen, dass handschriftliches Mitschreiben bei einem Vortrag deine Gedächtnisleistung verbessern. Denn dabei sind bedeutend mehr Gehirnregionen aktiv als beim Tippen. Beim Schreiben mit der Hand merkst du dir das, was du hörst, viel besser und trainierst gleichzeitig dein Gehirn.
Keine neue Erfindung
Persönliche Aufzeichnungen gab es bereits in der Antike. Sogenannte „Hypomnemata“ (altgriechisch für „niedergelegte Erinnerung“) enthielten formlose Notizen von inspirierenden Zitaten, eigenen Gedanken oder individueller Wahrnehmung. Sie wurden vor allem zur Selbstbeobachtung und zur Selbstreflexion verwendet.
Zusätzlich gab es Notizen zu unterschiedlicher Ereignissen wie beispielsweise zum Wetter oder zu den Wasserständen. Später wurden biografische Erlebnisse oder Träume notiert. Dies waren die Vorläufer der späteren Tagebücher, die aufgrund der günstigeren Verfügbarkeit von Papier ab der Renaissance größere Verbreitung fanden.
Journal versus Tagebuch
Orientieren wir uns an den Wörterbüchern der deutschen und der englischen Sprache sind zwischen Journal und Tagebuch keine wesentlichen Unterschiede festzustellen. Im Duden wird „Journal“ als veralteter Begriff eines Tagebuchs erklärt. Im Oxford Learners Dictionary erfahren wir, dass ein „journal“ eine schriftliche Aufzeichnung der Dinge ist, die man täglich tut oder sieht.
Bei „diary“ (englisch für Tagebuch) steht, dass es ein Buch für tägliche Erfahrungen und für private Gedanken ist. Die angeblich so großen Unterschiede, die im Web verbreitet werden, sind also eine Erfindung der kürzlichen Vergangenheit. Wie du deine privaten Notizen nennen möchtest, ist also deine individuelle Entscheidung.
Wie geht Journaling?
Persönliche Aufzeichnungen zu führen ist ganz einfach. Wenn du es noch nie gemacht hast, kaufe dir ein beliebiges dünnes Schulheft mit kariertem Papier. Oben rechts schreibe dir das Datum (Wochentag, Tag, Monat, Jahr) auf und in der nächsten Zeile notiere dir etwas, das dir für den heutigen Tag als wichtig erscheint und du nicht vergessen möchtest. Das kann beispielsweise eine Idee, ein Gedanke, ein spannendes Zitat oder ein Erlebnis mit einer wichtigen Person sein.
Das ist für den Anfang völlig ausreichend. Mache am nächsten Tag weiter, am übernächsten Tag ebenfalls und so lange bis du das Heft ausgeschrieben hast. Führe dein Heft immer mit, sodass du es jederzeit zur Hand hast, wenn dir etwas Wesentliches einfällt. Fortgeschrittene verwenden meistens ein Notizbuch in der Größe A5. Viele nutzen ihr Journal als Unterstützung beim Selbst– oder beim Projektmanagement und notieren sich Aufgaben und Termine.
Damit Schreiben zum Vergnügen wird
Fotos auf Social Media können eine gute Inspiration sein und sehen oft sehr schön aus. Wenn du jedoch keine Zeit und auch keine Lust für ein wunderschön gestaltetes Journal hast wie beispielsweise ich, dann ist das eben so. Lass dich nicht von irgendwelchen vermeintlichen Vorgaben verunsichern, denn dein Journal ist deine Privatsache. Es geht nur um dich, um deine Bedürfnisse und um deine persönlichen Aufzeichnungen.
Teste unterschiedliche Methoden, damit Schreiben für dich ein möglichst beglückendes Erlebnis wird. Willst du deine Notizen kurz und knapp auf wenige Worte reduzieren? Oder ist es dir wichtig, Erinnerungen ausführlicher zu notieren? Möchtest du deine Ideen durch Skizzen oder durch Diagramme wie beispielsweise eine Mindmap ergänzen? Liegt dir zeichnen mehr als schreiben? Möchtest du Fotos, Tickets oder Sticker rein kleben? Soll dir dein Journal dabei helfen, Fortschritte beim Erreichen deiner Ziele zu dokumentieren oder an deinem geliebten Hobby dranzubleiben?
Auch das Material ist entscheidend
- Möchtest du vielleicht bestimmte Stellen für dich mit besonderen Symbolen, mit Textmarker und mit Seitenmarkern kennzeichnen, damit du sie jederzeit wiederfindest?
- Ist dir beim nächsten Mal eventuell liniertes, glattes oder Papier in gepunkteter Ausführung lieber?
- Soll dein Notizbuch in der gängigen A5-Größe sein oder wären andere Abmessungen für dich besser geeignet?
- Passt die Papierqualität und die Ausführung?
- Teste auch unterschiedliche Schreibgeräte in verschiedenen Farben. Was liegt gut in der Hand, womit fühlst du dich wohl, was sieht ansprechend aus und schreibt so, wie du es dir vorstellst?
- Bevorzugst du lieber Bleistift, Kugelschreiber, Füllfeder oder Tintenroller und in welchen Farben?
Welchen Nutzen bringt Journaling tägliches Schreiben?
Sobald du dich über einen gewissen Zeitraum im täglichen Schreiben erprobt hast, kannst du nicht nur stolz auf dich sein, sondern du wirst viele neue Erkenntnisse über dich und über deine Vorlieben gewonnen haben.
- Welche neuen Ideen oder Gedanken hast du aufgeschrieben?
- Welche Eindrücke waren für dich wesentlich?
- Was war dir wichtig?
- Möchtest du vielleicht künftig weitere Elemente dazu nehmen oder andere Schwerpunkte setzen?
Sobald du ein wenig Erfahrung gesammelt hast, könntest du beispielsweise wöchentliche und/oder monatliche Rückblicke integrieren und über die Veränderungen des letzten Zeitraums reflektieren.
Langfristige Mindset-Veränderung
Nun kannst du einen Schritt weiter gehen und dir zusätzliche Fragen überlegen, beispielsweise zu deiner Einstellung – also zu deinem Mindset. Indem du deine Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Thema lenkst und dir dazu eine Frage beantwortest, wirst du langfristig gesehen eine nahezu magisch anmutende Veränderung deiner Einstellung erleben können.
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Wenn du erst am Anfang deiner Schreib-Praxis stehst, starte mit nur einer weiteren Frage täglich. Erst wenn du das Gefühl hast, dass dieses Thema Teil deines Alltags geworden ist, nimm zweite hinzu. Falls das Thema der Frage für dich aktuell nicht wichtig ist, wechsle jederzeit zu einer anderen. Je nachdem, worum es sich handelt, kann es einen längeren Zeitraum benötigen, bis du Auswirkungen im Alltag erlebst.
Beispiele für Mindset-Fragen:
- Wofür bin ich heute/diese Woche/diesen Monat dankbar?
- Was waren heute/diese Woche/diesen Monat neue Erkenntnisse?
- Was habe ich heute/diese Woche/diesen Monat gelernt?
- Was ist mir heute/diese Woche/diesen Monat gut gelungen?
- Was habe ich heute/diese Woche/diesen Monat für mein Leben/für mich getan?
- Was habe ich heute/diese Woche/diesen Monat für andere Gutes getan?
- Was fiel mir heute/diese Woche/diesen Monat schwer?
- Was kann ich verändern/lernen, damit es leichter wird?
Beispiel aus der Praxis
Seit Ende Dezember 2020 notiere ich mir jeden Tag einen Satz, worüber ich dankbar bin. Nachdem mir irgendwann aufgefallen ist, dass dies meine Stimmung verbessert, habe ich im Herbst 2021 entschieden, das Thema Dankbarkeit zu vertiefen. Seither führe ich ein Dankbarkeitsjournal, wo ich jeden Tag eine Seite lang aufschreibe, worüber ich dankbar bin.
Wichtig ist: Setze dich niemals mit einem zu hohen Schreib-Pensum unter Druck. Schreibe am Anfang lieber weniger, damit dir langfristig gesehen die Freude nicht verloren geht. Wenn du bereits in anderer Form an deinem Mindset arbeitest, bietet sich Journaling als ergänzende Unterstützung an.
Wie nützlich sind Journale zum Ausfüllen?
Anfänger tendieren häufig zu Journalen mit vorgegebenen Fragen. In einigen Fällen sind diese auch zu empfehlen, sofern die Journale den Bedürfnissen der jeweiligen Person entsprechen. Die praktische Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass manche, die euphorisch mit einem solchen Journal gestartet sind, nach einer gewissen Zeit die mangelnde Flexibilität beklagen.
Manche sind auch von den ständig gleichen Fragen gelangweilt und können nach einer gewissen Zeit keinen Nutzen mehr darin erkennen. Hier ist es wichtig zu überprüfen, ob es sinnvoller wäre zu einem freieren Format zu wechseln, weil dieses besser auf deine persönlichen Bedürfnisse angepasst werden kann.
Es ist immer deine Entscheidung
Auch wenn es mittlerweile viele Vorschläge und Bücher zu diesem Thema gibt, so darf nur eine einzige Person, darüber entscheiden, was für dich wesentlich ist, und das bist du. Lasse dir niemals von anderen Leuten vorschreiben, wie du dein Journal zu führen hast. Gestalte dein Journal stets so, wie es dir gefällt und was jetzt genau zu dir und deinem Leben passt. Das kann in einem, zwei oder drei Wochen oder Monaten bereits wieder ganz anders sein. Denn dein Journal ist wie dein Leben: Genau das, was du daraus machst.
Claudia Sprinz ist Autorin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit Tagebuch und ist der Ansicht, dass Schreiben keine Tätigkeit, sondern ein Lebensstil ist. Mehr dazu erzählt sie auf ihrem YouTube-Kanal:
https://www.youtube.com/channel/UCX7ICuXSjDf1anjZwECVrfQ