Was ist Ölziehen?
Ölziehen, auch Ölsaugen oder Ölkauen, stammt aus dem indischen Ayurveda, dem “Wissen vom Leben”. Dabei handelt es sich um alternativmedizinische Anwendungen, vergleichbar mit der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM).
Aufzeichnungen belegen, dass Ölkuren seit 2000 Jahren angewandt werden. Da lohnt sich ein genauerer Blick auf den Trend!
Welche Vorteile hat Ölziehen?
Die Liste der versprochenen, positiven Wirkungen von Ölziehen ist lang:
- entfernt Schmutz, Essensreste, schädliche Bakterien
- hilft bei Zahnfleischproblemen
- schützt vor Parodontose
- verhindert Karies
- bekämpft Mundgeruch
- entgiftet und entschlackt
- stärkt das Immunsystem
- reguliert den Hormonhaushalt
- beugt Kopfschmerzen/Migräne vor
- ist gut für das Herz
- hilft bei Bronchitis und Erkältungen
- lindert rheumatische Beschwerden
- wirkt präventiv gegen Alzheimer
- und Diabetes
- setzt Energien frei
- unterstützt Gewichtsverlust
Und die Liste ließe sich noch fortsetzen. Das klingt schon fast zu gut, um wahr zu sein.
Debunked: Wie wirkt Ölziehen wirklich?
Es gibt wenige Studien zum Ölziehen, noch weniger besitzen überhaupt Aussagekraft.
Es sind etwa ein Dutzend relevanter Untersuchungen, welche zwischen einer und mehrerer Wochen, mit 10 bis 40 Teilnehmern durchgeführt wurden.
Sie haben unterschiedliche Schwerpunkte, kommen aber zu interessanten Ergebnissen. Die habe ich mir angesehen und für Dich zusammengefasst:
Ist die Wirkung von Ölziehen wissenschaftlich bewiesen?
Auf unseren Zähnen liegt ein natürlicher Biofilm, genannt Plaque. Das ist im Wesentlichen ein schleimiges Gemisch aus Speichel, Bakterien und Nahrungsresten.
Problematisch ist dieser Belag nur, wenn er nicht regelmäßig entfernt wird.
Dann arbeiten die Bakterien ungestört am Abbau des Zahnes und schädigen das Zahnfleisch bis hin zu Zahnverlust. Ölziehen soll Essensreste und Bakterien gründlich(er) entfernen.
Beim Ölziehen wird das Öl zu winzig kleinen Tröpfchen auseinander gepresst und emulgiert, das heißt es mischt sich mit dem Speichel (löst sich aber nicht). So gelangt es beim Ölziehen auch in kleine Zwischenräume, Zahnfleischtaschen und Löcher.
Ist Ölziehen gut für die Zähne?
Öl ist hydrophob, es verbindet sich nicht mit Wasser. Es verbindet sich auch nicht mit denselben Stoffen wie Wasser.
Dadurch spült Öl Essensreste und Bakterien weg, die von Wasser wenig beeindruckt bleiben. Zahnpasta enthält übrigens Tenside, die sowohl hydrophil (wasserliebend) als auch hydrophob sind.
Fazit: Bestätigt
Wirkt Ölziehen bei Zahnfleischproblemen?
Darüber gibt der in den Studien gemessene Gingival-Index Aufschluss. Dieser bestimmt anhand der nachgewiesenen Bakterienzahl, wie gesund das Zahnfleisch (medizinisch: Gingiva) ist.
Ölziehen reduzierte die Anzahl schädlicher Bakterien und führte zu einem niedrigeren Index.
Fazit: Bestätigt
Hilft Ölziehen gegen Parodontose?
Bei Parodontose oder korrekter Parodontitis handelt es sich um eine bakterielle Infektion.
Unbehandelt zerstören die Bakterien mit der Zeit Zahnfleisch, Gewebe und die Knochen, die den Zahn halten (medizinisch: Zahnhalteapparat, Parodontium). Parodontitis ist die häufigste Ursache für Zahnverlust bei Erwachsenen.
Anhand des Plaque-Index, also der festgestellten Bakterienzahl, ließ sich in den Studien eine Verbesserung der Mundhygiene durch Ölziehen nachweisen.
Beim Vergleich zwischen Mundspülen mit Öl, Trinkwasser und Mundwasser erzielte Ölsaugen eine ähnlich reinigende Wirkung wie Mundwasser. Reines Wasser hingegen führte zu keiner deutlichen Verbesserung.
Fazit: Bestätigt
Hilft Ölziehen gegen Karies?
Karies entsteht durch säurebildende Bakterien, vor allem Mutans-Streptokokken und Laktobazillen. Die heißen wie Super-Bösewichte und das sind sie auch.
Sie lösen Mineralien aus dem Zahn und schwächen so dessen Schutzschicht (den Zahnschmelz). Letztlich zerfressen und zerstören sie ihn von innen.
In den Studien wiesen Probanden, welche Öl zogen, eine geringere Menge an Kariesbakterien auf.
Fazit: Bestätigt
Wirkt Ölziehen bei Mundgeruch?
Die Ursache für Mundgeruch sind in fast allen Fällen wieder unsere Bakterien, weshalb Parodontitis und Karies mit schlecht riechendem Atem einhergehen.
Sowohl der subjektive Geruchstest als auch die Bakterienanalyse der Testpersonen bestätigen, dass Ölziehen den Geruch des Mundes verbessert.
Fazit: Bestätigt
Ist Ölziehen gut für das Immunsystem?
Eine generelle Verbesserung des Gesundheitszustandes ist als Folge der verbesserten Mundhygiene anzusehen.
Über die Blutbahn können schädliche Bakterien im Körper wandern und eine Menge Schaden anrichten. Beispielsweise sind Diabetes, Gefäßerkrankungen, Herzinfarkte und sogar Fehlgeburten zweifelsfrei als mögliche Folgen von Parodontitis nachgewiesen.
Inwiefern beim Ölziehen Mineralstoffe und Vitamine aus dem Öl aufgenommen werden, ist nicht untersucht.
Eine asiatische Studie zu (gestörter) Vitamin-D-Aufnahme wies jedenfalls nach, dass über die Mundschleimhaut Nährstoffe aufgenommen werden können.
Fazit: Plausibel
Entgiften und entschlacken mit Ölziehen?
Die Farbänderung des Öles durch Ölziehen soll beweisen, dass Gift- und Schlackstoffe darin gebunden sind. Deshalb soll es auch nicht geschluckt werden.
Wir wissen bereits, dass die Verfärbung entsteht, weil sich das Öl in winzigen Tröpfchen mit dem Speichel mischt.
Bisher konnte keine entgiftende oder entschlackende Wirkung nachgewiesen werden.
Fazit: nicht bestätigt
Kann man abnehmen mit Ölziehen?
Im Zusammenhang mit Entschlacken taucht auch die Behauptung auf, Ölziehen führe zu Gewichtsverlust.
Eine positive Auswirkung auf den Stoffwechsel ist in keiner Weise wissenschaftlich untersucht oder nachgewiesen.
Ein gesunder Stoffwechsel hat auch gar nichts mit der menschlichen Erfindung des Idealgewichts zu tun.
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Fazit: nicht bestätigt
Ölziehen und die sieben blinde Mäuse
Ölziehen (Gandhusha) ist nur ein kleiner Teil der ayurvedischen Morgenroutine (Dinacharya).
Davor werden mehrere Gläser warmes Wasser getrunken, um den Stoffwechsel in Fahrt zu bringen. Die intensiven Bewegungen der Gesichtsmuskeln sorgen für bessere Durchblutung, was die körpereigene Schadstoffentsorgung ankurbelt.
Der gesamte Körper wird während des Ölziehens eingeölt, was ebenfalls anregt. Den Abschluss bilden eine Nasendusche und eine warme Ganzkörperdusche, die Muskeln und Gefäße wieder entspannt.
Wie geht Ölziehen?
Es ist ganz einfach: Nimm einen Esslöffel Öl in den Mund und spüle gründlich für 5 bis 20 Minuten. Dabei presst und ziehst Du das Öl zwischen den Zähnen hindurch.
Entspanne zwischendurch, damit Deine Gesichtsmuskeln nicht verkrampfen oder gar sauer werden.
Anfangs kannst Du auch weniger Öl verwenden oder kürzere Zeit spülen, nach Möglichkeit aber mindestens eine Minute. Keinesfalls solltest Du mit dem Öl gurgeln!
Nach der Anwendung spuckst Du das Öl in ein Tuch, den Restmüll oder die Toilette und spülst den Mund nochmals mit warmem Wasser. Prothesen sollten vor dem Ölziehen herausgenommen bzw. erst danach eingesetzt werden.
Soll man nach dem Ölziehen Zähne putzen?
Wenn Du nicht vorhast zu frühstücken, Fruchtsaft zu Deinem Frühstück gehört oder Du Zahnspangen trägst, solltest Du nach dem Ölziehen und vor der Mahlzeit Zähne putzen.
Im Idealfall hast Du die Möglichkeit, das 30 Minuten nach dem Essen zu tun. Ansonsten spüle den Mund gründlich mit Wasser oder verwende nur Zahnseide.
Zu welcher Tageszeit ist Ölziehen am effektivsten?
Üblicherweise zieht man Öl einmal täglich, gleich nach dem Aufwachen und mit nüchternem Magen. Über Nacht fährt der Körper die Speichelproduktion herunter, es bilden sich vermehrt Beläge und die Bakteriendichte steigt.
Morgens Öl zu ziehen, ist also sinnvoll.
Auch abends als gründliche Reinigung nach dem Tag und als Vorbereitung auf den Standby in der Nacht ist Ölziehen zu empfehlen. Es spricht so weit nichts dagegen, mehrmals täglich Öl zu ziehen.
Wie lange soll man Ölziehen?
Empfehlungen reichen von einer Woche bis hin zu mehreren Monaten. Wissenschaftliche Untersuchungen zur optimalen Dauer einer Ölkur gibt es keine.
Nachdem die kürzeste Studie zu Ölziehen eine Woche gedauert hatte, dürften in dieser Zeitspanne schon erste Resultate wahrzunehmen sein.
Leider gibt es noch keine Langzeitstudien, somit auch keine Daten zu Wirkung und Nebenwirkungen von Ölziehen über einen langen Zeitraum.
Welches Öl ist fürs Ölziehen geeignet?
Du kannst jedes Speiseöl zum Ölziehen verwenden. Verwende kalt gepresstes (natives) Öl, das noch alle wertvollen Inhaltsstoffe enthält.
Hier eine Liste der beliebtesten Öle zum Ölziehen:
Sesamöl
Ursprünglich wurde geröstetes Sesamöl zum Ölziehen verwendet.
Es schmeckt leicht nussig und ist als Zutat für asiatische Gerichte im gut sortierten Lebensmittelhandel erhältlich. Es wirkt entzündungshemmend.
Kokosnussöl
Kokosnussöl ist bei Zimmertemperatur fest und heißt deshalb auch Kokosfett. Es schmilzt rasch im Mund und hat einen leichten Kokosgeschmack.
Es wirkt vor allem antibakteriell und Gefäß-schützend.
Olivenöl
Olivenöl ist wegen seiner Konsistenz und seines milden Geschmacks wohl das beliebteste Öl zum Ölziehen. Es beugt besonders Herzproblemen und Diabetes vor.
Raps und Leinsamenöl
Diese Öle schmecken leicht nussig. Leinsamenöl kann etwas bitter werden, hat aber auch seine Anhänger. Beide Öle schützen vor allem Nerven und Gehirn.
Sonnenblumen und Maiskeimöl
Diese Öle schmecken neutral und sind sogar in den meisten Haushalt vorrätig. Sie enthalten blutdrucksenkende Wirkstoffe und schützen das Herz.
Spezielle Mundziehöle
Im Handel erhältliche Mundziehöle sind oft mit ätherischen Ölen wie Minze, Zitrone oder Salbei gemischt.
Diese haben zweifelsfrei eine positive Wirkung. Die Aromen können das Ölziehen angenehmer machen.
Fazit für Faule
Öl zieht keine Giftstoffe aus dem Körper und Du musst es nach dem Ölziehen auch nicht als Sondermüll abgeben. Es ist eine bewährte Methode der Zahnpflege und Mundhygiene ist grundlegend für die körperliche Gesundheit.
Ölziehen ist Teil einer ayurvedischen Prozedur und kann eine gute Ergänzung Deiner täglichen Pflegeroutine sein.